Sonntag, 25.8.2024

Wir sind wieder in unserer Mikrohaushaltung auf dem Wasser. Zu Hause staunte ich über die weiten Wege bis man schon nur in der Küche ist. Die Tomatenausbeute war grossartig, ich freue mich sehr darüber, was alles im Garten wächst.

Die Familienzusammenkunft über Mittag war eine gute Sache, ich sehe meine fünf Geschwister viel zu selten.

Am See angekommen meinte Philipp mit Blick auf diesen Riesenmocken lapidar: Dieser hat auch schon bessere Tage gesehen.

Weil wir uns beeilen mussten, motorten wir direkt hinüber nach Auvernier. Glücklicherweise ist mein neuer Pulli heute fertig geworden, es war ziemlich kühl.

Wir sahen nur einzelne Segelschiffe draussen.

In Auvernier trafen wir auf die drei anderen Schiffe mit ihrer Besatzung. Wir wollen nun eine Woche lang zusammen unterwegs sein. Tagsüber beschäftigt sich jede Crew selbst und am Abend treffen wir uns in einem Hafen um zusammen zu Abend zu essen.

Schon vorgestern hörten wir diesen einsamen Fiddler in der Nähe des Hafens. Nachdem ich die Mücken vom Deck gewaschen hatte, packte ich meine Gitarre und ging zum Musiker hinüber.

Wir jammten ein bisschen und tauschten uns über Schweizer Volksmusik aus. Hab‘ ich eine Ahnung? Jedenfalls war es lustig und inspirierend, mal intonierte er etwas und ich versuchte zu begleiten, manchmal gab ich die Melodie vor und er improvisierte dazu. Danke, François musicien, aber meine Telefonnummer gebe ich dir trotzdem nicht.

Anschliessend spazierten wir neun Personen in die Pizzeria und genossen ein feines Abendessen.

Auf dem Rückweg schaltete Philipp bereits von fern das Rotlicht auf dem Schiff ein. So ist es schön, nach Hause zu kommen.

Offenbar muss ich noch etwas präzisieren. Ich schrieb, ich könne nicht rechnen, aber segeln. Stimmt natürlich nicht ganz, ich kann schon rechnen. Für das, was ich im Alltag brauche, reichen meine Kenntnisse aus.

Beim Segeln ist es schon etwas komplexer. Wir alle haben noch kein Formel 1-Rennen gewonnen und behaupten doch, dass wir Auto fahren können. Es geht meines Erachtens um das Dreieck „Sachkenntnis“ – „Selbstreflexion“ – „Empathie“. Mit der Übergabe des ersten Segelscheines wurde uns gesagt, dass wir jetzt die Berechtigung haben, weiter zu lernen. Ein Leben lang. Und das tue ich auch. Ich verneige mich vor altgedienten und mit Salzwasser gewaschenen HeldInnen der Meere. Ich erhebe mich nicht über AnfängerInnen. Ich muss das beherrschen, was wir brauchen. Und die Messlatte stets ein bisschen weiter hinaus schieben. Dabei bescheiden bleiben und wissen, was ich tue, die Navigation im Griff haben, die Ressourcen der Crew im Blick behalten und Schiff und Mannschaft gesund und ganz zurück bringen. Hin und wieder muss ich die Strategie anpassen können. Ich muss nicht versuchen, meinem jämmerlichen Dasein mit wilden Geschichten eine Bedeutung zu verleihen. Als Rädelsführerin muss ich Verantwortung übernehmen und als Crewmitglied loyal sein. Mit Unvorhersehbarem muss ich umgehen können. Dazu gehört eine gute Portion Vorausschauen und zusätzlich das Ganze vom Ende her denken können. Und einfach weiter lernen. Leute, das ist ja wie in der Geburtshilfe.

4 Antworten

  1. Sabine sagt:

    Woher du nur diesen Wissensdurst hast! Messlatte hinausschieben, weiter lernen… Kompliment, wenn man in deinem Alter sich nicht auf den bereits geernteten Lorbeeren ausruht. (s.a. Asterix Band „Das Geschenk Cäsars“)

    • Marianne sagt:

      Stillstand ist Rückschritt. Diese Zeit kommt noch früh genug.
      Ich bin dankbar, funktioniert mein Kopf noch einigermassen. Die Ente war mir Warnung genug. Volllaufen lassen, Schlagseite und absaufen.

  2. Mueti sagt:

    Ja, die Ente! Retten hätte nichts gebracht, sie hatte ja ein Loch, dass sie Schlagseite bekam. Du hast kein Loch, bekommst auch nicht Schlagseite und tauchst nicht ab. Das mit der Messlatte ist wichtig, denn Du siehst das richtig, dass Stillstehen der Anfang vom Ende ist.

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